Zwischen Bauhaus und Bioprozess


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Frühjahrstreffen des Managerinnen-Netzwerks bei IDT Biologika in Dessau

Alle reden darüber – wir schauen es an! Unter dieses Motto könnte man das Frühjahrstreffen 2023 des Managerinnen-Netzwerks stellen; denn alle reden über ATMPs und virale Vektoren, wir konnten aber bei IDT Biologika in Dessau nicht nur darüber sprechen, sondern auch die Produktions- und Abfüllanlagen in Betrieb besichtigen.

Die heutige IDT Biologika blickt auf eine 100jährige Geschichte als Impfstoffhersteller. Ulrike Fiedler, CCO von IDT Biologika und Gastgeberin des Treffens, stellte das Unternehmen vor:  Heute ist es in der Auftragsentwicklung und -herstellung von humanen Virusvakzinen, Gen- und Immuntherapeutika sowie der Abfüllung und Verpackung von Biologika aktiv. Dabei deckt es die Wertschöpfungskette von der Prozessentwicklung bis zur Qualitätskontrolle ab. IDT Biologika wird auch Teil der künftigen Pandemiebereitschaft der Bundesrepublik sein.

Ein hervorragender Ort also, um sich mit den aktuellen Entwicklungen im Bereich der Biopharmazeutika zu befassen. Um den Rahmen zu setzen, nahm Thomas Tradler vom Fraunhofer IZI die 30 Teilnehmerinnen zunächst mit auf eine schnelle Reise durch die Welt der Gentransfertechnologien, ihren aktuellen Status und Prognosen für ihre Entwicklung. Das Spektrum der verfügbaren Techniken zum „Einschleusen“ von Genen erweitert sich ständig, so dass selbst der „Heilige Gral“ der in-vivo-Behandlung in erreichbarer Nähe scheint. Doch mit den neuen Therapien verbinden sich nicht nur wissenschaftliche und medizinische Fragen. Noch sind die extrem teuren Behandlungen nur auf wenige seltene Erkrankungen ausgerichtet – was aber, wenn damit Volkskrankheiten therapierbar werden? Wie lassen sich die absehbaren Kosten dann tragen?

An diese Frage knüpften auch die weiteren Vorträge und die Diskussion an. Warum sind diese Therapien eigentlich so teuer? Neben den F&E-Kosten spielt die Produktion (und auch deren Kleinskaligkeit) eine Rolle. Die benötigten Vektorkonzentrationen sind hoch, dementsprechend viel Material muss produziert werden. Bei Erkrankungen, die anders bisher nicht behandelbar sind, schöpft der eine oder andere Hersteller wohl auch die Zahlungsbereitschaft des (kleinen) Marktes aus.

Dazu kommen die Behandlungskosten und die Tatsache, dass im Idealfall nur eine einmalige Gabe zur Heilung notwendig ist. Sabrina Pelz von IDT Biologika stellte Beispiele vor und ging auch auf die Produktionsplattformen für virale Vektoren allgemein ein, bei denen durchgängig modernes Single-Use-Equipment zum Einsatz kommt.

Nicht nur das muss beschafft werden, dazu gehören auch anderes Verbrauchsmaterial, Anlagen, Rohstoffe und vermeintliche „Allerwelts-Commodities“ wie Trockeneis. Dass deren Verfügbarkeit keineswegs selbstverständlich ist, zeigte Uwe Rettig von IDT Biologika eindrücklich in seiner Präsentation über die Supply Chain und deren Herausforderungen. Die Verwerfungen, die in der Pandemie teilweise zu einer Verdopplung von Lieferzeiten geführt haben, sind heute noch keineswegs überwunden. Für den Einkäufer heißt das: Neben neuen Prozessen und der Etablierung einer guten Supplier-Basis bedarf es sehr hoher Flexibilität und einer sehr transparenten Kommunikation mit den Kunden. Angesichts der komplexen vorgelagerten Wertschöpfungsketten gehört dazu aber auch die Konsolidierung der Rohmaterialbasis und ein ständiges Screening nach möglichen Alternativen – definitiv eine Aufgabe, die nicht langweilig wird!

Einen Ausblick auf die Marktentwicklung für Zell- und Gentherapeutika gaben Antonia Grufman und Svenja Steinbach von McKinsey. Klar ist, dass diese Märkte noch ganz am Anfang stehen – die Wachstumspotenziale sind enorm, zumal technologisch noch bei weitem nicht alle Pfade erschöpft sind.

Dass die Produktion im Prinzip aber heute schon im großen Maßstab möglich ist, davon konnten sich die Teilnehmerinnen beim anschließenden Rundgang überzeugen. Von der Produktion im Rührkessel in der Prozessentwicklung über die hochmodernen Abfüllanlagen bis zur Wirkstoffherstellung sind die Anlagen und das Know-How vorhanden, um neue Therapeutika schnell zu skalieren und „patientenfertig“ bereitzustellen. Bei einem Auftragsentwickler und -hersteller kommt es dabei vor allem auf die Flexibilität an, aber auch auf die Expertise der Mitarbeitenden, die mit ihrem Wissen dazu beitragen, aus einer Idee eine Innovation und ein marktgängiges Produkt zu machen.

Zusätzlich zu den vielen Eindrücken, die wir bei IDT Biologika sammeln konnten, und der vielen Impulse, die wir von diesem Besuch mitnehmen, soll nicht unerwähnt bleiben, dass der Standort Dessau nicht nur durch einen solchen „Hidden Champion“ glänzt, sondern auch die Stadt einen Besuch wert ist. Davon konnten wir uns am Vorabend bei einer Führung durch das Bauhaus und dem anschließenden Abendessen überzeugen.

An die Organisatoren und Organisatorinnen vor Ort ein großes Dankeschön für die Gastfreundschaft und die vielen spannenden Einblicke!


Bilderserie

 

Entwicklung und Produktion viraler Vektoren

Freitag, 23. Juni 2023 | 10.00 - 16.30 Uhr

10.00 - 10.30 Uhr Begrüßung und Vorstellungsrunde

10.30 - 10.45 Uhr Vorstellung der IDT Biologika GmbH  Ulrike Fiedler, IDT Biologika

10.45 - 12.30 Uhr Virale Vektoren in der Entwicklung von Pharmazeutika

  • R&D Activities Thomas Tradler, Fraunhofer IZI
  • Produktionsplattformen für virale Vektoren Sabrina Pelz, IDT Biologika
  • Supply Chain Challenges Sebastian Frings, IDT Biologika
  • Cell & Gene Therapeutics - Marktpotenzial Antonia Grufman, McKinsey

12.30 - 13.30 Uhr Mittagessen

13.30 - 14.30 Uhr Betriebsführung (in Gruppen)

  • Produktion
  • Abfüllung

14.30 - 16.00 Uhr Diskussion und Networking

16.00 Uhr Ausblick und Verabschiedung